Analyse der 7. Szene des 1. Aktes
In der 7. Szene des 1. Aktes aus dem Buch „Kabale und Liebe“ von Friedrich Schiller geht es um ein Streitgespräch zwischen Vater und Sohn.
1) Der Vater gesteht Ferdinand, dass er ein Verbrechen (Mord) begangen hat, um überhaupt zur Position des Präsidenten zu gelangen. Doch damit nicht genug, er möchte seinen Sohn sogar weis machen, diese Schandtat nur für sein Glück begangen zu haben. Ferdinand möchte allerdings nichts mit den Grausamkeiten seines Vaters zu tun haben und beschließt das Erbe nicht anzutreten. Er verabscheut den Präsidenten. (siehe S. 17:
„Feierlich entsag' ich hier einem Erbe, das mich nur an einen abscheulichen Vater erinnert.“)
Er macht dem Präsidenten klar, dass seine Begriffe von Glück nicht die selben sind, wie die vom Vater. Er vertraut auf sein Herz und will nicht zu seinem Glück gezwungen werden. (siehe S. 17:
Mein Ideal von Glück zieht sich genügsamer in mich selbst zurück. In meinem Herzen liegen alle meine Wünsche begraben! -“)
Der Präsident lässt jedoch nicht locker und erzählt ihm, dass Ferdinand Lady Milford heiraten soll. Um ihn zu dieser Heirat zu zwingen, befahl er Wurm schon im Voraus die Hochzeit im Volke zu verkünden. Somit sitzt Ferdinand in der Falle, denn würde er sich ihr widersetzen, wäre der Vater ein Lügner; würde er heiraten, was wäre mit seiner wahren Liebe zu Luise? Um seinen Sohn noch zusätzlich zu erpressen, macht der Vater Andeutungen auf Luise, denn in erster Linie ist es seine Absicht dieses aus seinen Augen ungleiche Paar auseinander zu bringen. (siehe S. 19:
„- oder wenn ich hinter gewisse Historien komme! - Halt! Holla! Was bläst so auf einmal das Feuer in deinen Wangen aus?“) Ferdinand wird blass und zittert, doch als er sagt, er würde sogar sein Leben dafür lassen, Lady Milford nicht zu heiraten, hat er sich schon wieder gefangen und verbirgt seine wahre Gesinnung. (siehe S. 18:
„Ich gebe Ihnen mein Leben, wenn das Sie steigen machen kann. Mein Leben hab' ich von Ihnen; ich werde keinen Augenblick anstehen, es ganz Ihrer Größe zu opfern. [...]“)
Nach dieser Selbstmorddrohung willigt der Präsident ein, die Idee der Heirat mit Lady Milford fallen zu lassen, stellt aber eine andere Heirat mit Friederike von Ostheim zur Bedingung. Als sich Ferdinand entsetzt auch gegen diese richtet, greift der Vater zu anderen Mitteln und droht mit Verstoß aus der Familie.
Wenn Ferdinand nicht zu dem vereinbarten Treffen mit Lady Milford erscheine, müsse er dem Zorn des Vaters fliehen. Als der Präsident den Saal verlässt, kommt Ferdinand ins Grübeln und ist geschockt. Redet ein Vater wirklich so mit seinem einzigen Sohn? (siehe S. 20:
„War das eines Vaters Stimme?“)
Das Gespräch entwickelt sich zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Vater und Sohn. Der Vater möchte Ferdinand für seine eigenen Zwecke nutzen und zwing ihm eine Heirat auf. Noch hinzu kommt, dass ein Vater seinem Sohn nicht erzählen kann, er habe für ihn einen Mord begangen. Er kämpft also mit unfairen Mitteln gegen seinen Sohn. Er spielt ganz stark seine Überlegenheit aus, indem er zum Beispiel die Definition des Glückes seines Sohnes ironisiert (siehe S. 17:
Meisterhaft! Unverbesserlich! Herrlich! Nach dreißig Jahren die erste Vorlesung wieder! [...]“) und Andeutungen über Luise macht (siehe S. 19:
„- oder wenn ich hinter gewisse Historien komme! - Halt! Holla! Was bläst so auf einmal das Feuer in deinen Wangen aus?“) Er sitzt eindeutig am „längeren Hebel“.
2) Die Beziehung zwischen den beiden Gesprächspartnern ist sehr gestört. Sie können ihr Gegenüber nicht wirklich akzeptieren und erpressen und bedrohen sich gegenseitig. Was ist das für ein Familienverhältnis? Dem Vater geht es nicht um das Wohl seines Sohnes. Er möchte einzig und allein seine Interessen durchsetzen. Koste es was es wolle. Dass der Sohn ihm gegenüber manchmal aggressiv wird, ist aus meiner Sicht verständlich. Es ist der, für den jungen Schiller, typische schwarz- weiß Charakter, der hier in der Szene deutlich wird. Der Vater ist der böse, ungerechte, mächtige und nur auf Profit ausgerichtete Mensch, während der Sohn ein gutgläubiger, noch an die wahre Liebe und edle Werte glaubender junger Mann ist. Er interessiert sich nicht für die gesellschaftliche Anerkennung unterschiedlicher Stände und Geld. Er hat sich in das arme Bürgermädchen Luise verliebt. Diese Liebe zählt für ihn mehr als die Karriere, die sich der Vater für ihn vorgestellt hat. Schiller hat in diesem Jugendwerk sehr deutlich den Unterschied zwischen dem durch Geldgier und Profitdenken verdorbenen Vater und Erwachsenen und dem noch reinen, lebendigen und an natürlichen Werten orientierten Jugendlichen dargestellt.
3) Ich denke, dass im weiteren Verlauf der Sohn versuchen wird, anders zu denken und zu handeln als sein Vater, sich deutlich von ihm abgrenzen möchte. Er wird zwar zu dem Treffen mit Lady Milford gehen, sie aber nicht liebevoll begrüßen etc., sondern , wie er auch am Ende der Szene sagt, ihr den Spiegel seiner absoluten Moral vorhalten. Er wird, denke ich, dem Vater keinen Gefallen oder Ähnliches tun, sondern ihn- wo er kann- enttäuschen, ihm in den Rücken fallen und sich gegen ihn richten. Er möchte ihm zeigen, dass auch er sich durchsetzen kann und sich nicht einfach unterdrücken und ausnutzen lässt.
4) Die Sprache der 7. Szene unterscheidet sich nicht unbedingt von den Ausdrucksweisen in anderen Szenen dieses Buches. Der Präsident benutzt oft starke Metaphern (siehe z.B.: S.17:
„Also für den ewigen Skorpion meines Gewissens?- auf mich fällt die Last der Verantwortung- auf mich der Fluch, der Donner des Richters [...]“, S. 17:
„...du kröchest dein Leben lang im Staube.“)
Außerdem kann man die Sprache Beider sehr leidenschaftlich nenne; das zeigt sich in einer Anhäufung von ausdrucksstarken und emotionalen Worten. (
Schurke, Ehre, Kuppler, Lügner usw.)
June van Frannt 2004
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